„Trübe Abendstimmung“ beim Blick in die Kasse
Niederrhein im Blick,
Kempen. (wil) Aus Sicht des Bürgermeisters ist die Schuldfrage schnell beantwortet: „Bund und Land beherzigen nicht den Grundsatz, dass wer bestellt hat, auch zu bezahlen hat", kritisiert Volker Rübo: „Aus dem Wirtshaus würden sie rausfliegen". Der Kanon an Leistungen, den Bund und Land den Kommunen aufbürden, sei aus eigener Kraft nicht finanzierbar. Die Folge: trotz guter Konjunktur klafft im Haushaltsplan für 2015, der am Donnerstag den Politikern zur Beratung vorgelegt wurde, ein 4,1 Millionen Euro großes Loch.
Rübo: „Wir sind wie ein großes Warenhaus für vielerlei Leistungen, auf die die Bürger einen Anspruch haben". Das reicht von der U3-Betreuung über die Aufwendungen für die Unterbringung von minderjährigen Flüchtlingen, die bis Ende 2014 enorme und noch weiter andauernde Belastungen mit sich brachten, bis hin zur Solidaritätsumlage, gegen die die Stadt im Verbund vieler anderer Städte Verfassungsbeschwerde eingelegt hat. Diese und viele andere Leistungen, zu denen Kempen verpflichtet ist, verschlingen den Löwenanteil der städtischen Einnahmen.
Die Aufwendungen, so rechnet Kämmerer Hans-Josef Aengenendt vor, steigen von 2014 auf 2015 um 3,9 Mio Euro. Die Ursachen liegen u.a. in der steigenden Kreisumlage, die sich in Kempen statt wie bisher mit 16,5 Mio Euro nun mit 18,1 Mio Euro auswirken wird, und auch in den steigenden Personalkosten, die von 24,5 Mio Euro auf 25,3 Mio Euro anwachsen werden. Dies wird teilweise durch ein konjunkturell bedingtes Plus an Gewerbesteuer aufgefangen, doch unterm Strich, so der Bürgermeister, bleibt „eine trübe Abendstimmung".
Steuererhöhungen – weder bei den Grundsteuern noch bei der Gewebesteuer- will man Kempens Bürgern in 2015 nicht zumuten. Zum Glück gibt es die so genannte Ausgleichsrücklage, deren Höhe sich am Eigenkapital der Stadt orientiert. Sie beläuft sich derzeit auf rund 15 Mio Euro, die in den nächsten Jahren nach und nach zum Ausgleich des städtischen Haushalts eingesetzt werden müssen. Bis zum Jahr 2018 wird die Rücklage nach bisherigen Prognosen auf 5 Mio Euro zusammengeschmolzen sein.
Im neuen Haushaltsjahr wird die Rücklage mit den genannten 4,1 Mio Euro in Anspruch genommen. Würde die Politik diesen Vorschlag des Kämmerers ablehnen, müsste die Stadt ein Haushaltsicherungskonzept erstellen und sprichwörtlich den Schlüssel zur Stadtkasse an die Kommunalaufsicht abgeben. Rübo: „Dank der Inanspruchnahme der Rücklage können wir eigenverantwortlich abschließen!"
Dennoch, so warnt auch Kämmerer Aengenendt: „Das kann so nicht weitergehen. Wir handeln auf Kosten der künftigen Generationen. Und wenn es bei dieser Geschwindigkeit des Eigenkapitalverzehrs bleibt, reden wir nicht von unseren Enkelkindern. Nein, wir reden von unseren Kindern, auf deren Kosten heute agiert wird".